Befürchtungen der Gegner: was ist dran?

Wir untersuchen hier oft wiederholte Behauptungen der Gegner des Radschnellweges Aachen-Herzogenrath auf ihren Realitätsgehalt. Auch wenn die Aachener Nachrichten diese am 5. Oktober 2016 mal wieder ungeprüft abdruckten, werden falsche Ausführungen dadurch nicht wahr.

Abschnitt Rütscherstraße: „Die Anwohner dürfen dann dort nicht mehr parken und schon gar nicht fahren“, sagt Rudolf Hoffmann.

Falsch! Gemäß den Plänen der StädteRegion Aachen auf der Internetseite http://www.radschnellweg-euregio.de ist im Bereich Rütscherstraße eine Fahrradstraße  auf dem vorhandenen Straßenquerschnitt geplant. Was heißt das? Die vorhandenen Parkplätze bleiben erhalten und Anwohner (und deren Gäste) dürfen die Straße weiterhin mit Autos befahren (siehe Visualisierung Variante B – Bild 4 und Variante C – Bild 5). Der einzige Unterschied zur bisherigen Situation ist, dass Radfahrer zukünftig Vorfahrt haben und nebeneinander fahren dürfen. Autos müssen gegebenenfalls ihre Geschwindigkeit verringern, um eine Behinderung oder Gefährdung von Radfahrern zu vermeiden. Bauliche Änderungen wird es im Straßenverlauf nicht geben.

„Wo an der Rütscher Straße soll Platz sein für einen Weg, der bis zu sechs Meter breit sein muss?“

Der Radschnellweg muss gar nicht überall sechs Meter breit sein!

Im Streckenverlauf von der Stadt Aachen bis nach Herzogenrath wird es unterschiedlich Führungsformen, wie Fahrradstraßen, Radfahrstreifen, Schutzstreifen, Zwei-Richtungs-Radwege, Tempo 30-Straßen  und Umweltspuren geben. Die unterschiedlichen Bauweisen sind in den Lageplänen in der Legende am rechten Planrand dargestellt. Eine Übersicht zu den Kriterien des Landes NRW für einen Radschnellweg sind hier dargestellt

„Es wäre doch sehr viel sinnvoller, die bereits vorhandenen Wege besser auszubauen und zu erweitern.“

Das bezahlt aber niemand. Anders als den Radschnellweg. Den bezahlt das Land NRW.

Ja, es wäre super, wenn alle Radwege in der Euregio die Qualität eines Radschnellweges hätten! Nur: die vorhandenen Radwege zwischen Aachen und Herzogenrath sind dafür völlig ungeeignet: zu schmal, zu kurvig, zu steil und zu gefährlich, um größere Mengen an Radfahrern aufzunehmen. Erst recht, ohne massive Einschränkungen für den Autoverkehr zu verursachen. Vorfahrt für Radfahrer im gesamten Steckenverlauf z.B. ließe sich überhaupt nicht realisieren.

Aber das ist nicht mal der Punkt. Der Radschnellweg Aachen-Herzogenrath wird nur deshalb vom Land NRW für die Planung, den Bau und den Unterhalt bezahlt, weil er als regionale Städteverbindung eine vielfach kostengünstigere Lösung darstellt als eine vergleichbar leistungsfähige Straße — vorausgesetzt, dass die Kriterien für einen Radschnellweg erfüllt sind. Denn ausschließlich dann ist der Radweg tatsächlich so leistungsfähig, dass diese Kosten gerechtfertigt sind: weil sie sich im Vergleich zu den Kosten einer Kfz-Straße unter diesen Umstände deutlich relativieren.

Die Finanzierung des Radschnellwegs ist keine Geldverteilungsparty, die beliebig auf andere interessante öffentliche Projekte umgelenkt werden könnte, sondern stammt aus dem Budget für Straßenbau des Landes NRW, aus dem nach und nach Landesstraßen bezahlt werden. Wenn der Radschnellweg Euregio nicht gebaut wird, wird eine andere Landstraße irgendwo in NRW früher gebaut, die sonst ein bisschen länger hätte warten müssen. Mehr Geld für andere Radwege, Kindergärten, Schwimmbäder in Herzogenrath stünde deshalb aber nicht  zur Verfügung.

„Dass der Radschnellweg später von 12 000 Radfahrern täglich genutzt werden würde, hält Bruno Barth für eine Art „Realsatire“.

Das ist keine Satire. Satire daran ist, dass die Gegner diese Zahlen absichtlich, unwissentlich oder fahrlässig fehlinterpretieren.

Die Zahlen sind Ergebnis von Standardverfahren, die seit Jahrzehnten auch bei Kfz-Straßen eine bewährte Grundlage bilden, um das Potential eines Straßenbau-Projekts zu ermitteln. Dieses Potential hat die StädteRegion Aachen in Voruntersuchungen auch im Falle des Radschnellwegs wie vorgeschrieben nach diesem Standardverfahren erhoben (Plan 1 und Plan 2).

Dabei werden alle einzelnen, zusätzlichen Fahrten ermittelt, die durch den Bau der Straße, oder in diesem Fall des Radschnellwegs, möglich werden. Beispielsweise ergeben die Wege jedes in Frage kommenden Schülers, der morgens von Kohlscheid zur Schule nach Herzogenrath und nach Schulschluss zurück fahren könnte, zwei Fahrten. Oder der RWTH-Mitarbeiter X aus Laurensberg, der jeden morgen zum Super-C fahren könnte und abends zurück, würde ihn zwei mal nutzen. Oder der Anwohner Y, der typischerweise zum Einkaufszentrum Z fährt. Und wenn Herr X abends noch schnell Feierabendbrötchen holt, fährt er wieder zwei mal. Dabei wird bei jeder berechneten Fahrt natürlich nicht davon ausgegangen, dass sie die komplette Strecke umfasst — das wäre ja tatsächlich völlig unrealistisch und unsinnig: genauso wie niemand davon ausgehen würde, dass alle Benutzer der A3 immer die ganze Strecke von Wesel bis Passau fahren! Stattdessen werden alle möglichen Anlässe, den Weg sinnvoll zu nutzen addiert — ob die Fahrt kurz oder lang ist. Beim Bau von Autobahnen, Landstraßen ebenso wie beim Radschnellweg Euregio.

Aus dieser Addition ergeben sich insgesamt 12.000 prognostizierte Fahrten im Jahr 2030. Das sind längst nicht so viele Radfahrer gleichzeitig, dass die Horrovisionen von Gegnern des Projekts noch eine rationale Grundlage besäßen — aber noch bei weitem genug, dass die Investition eine spürbare Entlastung anderer Verkehrsträger mit sich bringt — und damit auch der Umwelt.

„Radwege sollten umweltverträglich sein – und das ist der geplante Euregioweg nach Meinung der Gegner keinesfalls“

Umweltverträglichkeit hört sich gut an, ist aber gleichzeitig auch ein Totschlagargument, wenn man es undifferenziert verwendet.

Eingriffe in Landschaft und Natur sind dabei ein wichtiger Aspekt, aber auch nur einer von mehreren. Wie stark die Eingriffe genau sein müssen, steht noch nicht fest, denn so weit ist die Planung noch gar nicht — an vielen Stellen wird ja sogar noch über die genaue Trasse diskutiert. Fest steht aber, dass auch bei der weiteren Planung die Eingriffe so gering wie möglich gehalten und ggf. durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert  werden müssen.

Umweltverträglichkeit bedeutet ja nicht nur die Frage, ob der Baumaufwuchs am zwischenzeitlich ungenutzten Bahndamm doch wieder gerodet wird, ob Schmetterling X oder Y sich nächstes Jahr ein anderes Brennnesselfeld suchen muss oder ob an einer einst überflüssig gewordenen Eisenbahnbrücke eine filigrane Stahlkonstruktion zwei hohe ehemalige Bahndämme wieder verbindet. Letztlich geht es viel mehr darum, ob für eine umweltfreundliche Form der Mobilität (denn Fahrrad  fahren ist abgasfrei, lautlos und platzsparend) eine Industriebrache für einen gesamtgesellschaftlich sinnvollen Zweck wieder nutzbar gemacht wird. Dabei muss wie bei den Kosten die Relation zu den Umweltproblemen berücksichtigt werden, die man bei anderen Lösungen der existierenden Verkehrsprobleme ebenso zu bewältigen hätte: Wie groß ist die Bodenversiegelung  durch einen Radweg im Vergleich zu einer leistungsfähigen Umgehungsstraße? Welche Lärm- und Abgasprobleme lassen sich durch den Bau eines leistungsfähigen Radweges (nachgewiesenermaßen) beseitigen? Welche Konflikte zwischen Verkehrsarten können durch den Bau durchdachter Radwege entschärft werden? Schließlich profitieren auch Autofahrer von weniger verstopften Straßen, und Fußgänger bekommen auf der gesamten Strecke eine reservierte, baulich getrennte Fläche zur Naherholung, auf der sie eben nicht ständig mit Fahrrädern in die Quere kommen.

Weitere Informationen zum Thema auf der Internetseite der StädteRegion Aachen http://www.radschnellweg-euregio.de/haeufige-fragen.